Er schaut nicht weg, sondern hört hin
Koblenz – „Wer Hilfe beim Einkaufen benötigt oder bei sonstigen Sachen, bitte melden“ – dieser Aushang in Koblenz während der Corona-Pandemie brachte den Stein ins Rollen. Der Unterzeichner dieses Zettels, Michael Kaltenbach, wurde jetzt (22. Mai) in Koblenz-Güls mit dem Susi-Hermans-Preis des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) ausgezeichnet. Der ehemalige Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Koblenz kann auf eine jahrzehntelange ehrenamtliche Tätigkeit zurückblicken und denkt mit 75 Jahren noch nicht ans Aufhören.
„Zahlreiche Vorschläge wurden eingereicht, so dass die Wahl nicht leichtfiel“, gab die Geschäftsführerin des SkF Stefanie Coopmeiners zu, die in ihrer Funktion den Vorstand der Susi-Hermans-Stiftung unterstützt. Der Vorstand wähle auf Vorschläge aus der Bevölkerung im Sinne der Koblenzer Sozialpolitikerin Susi Hermans Preisträger aus, die sich ohne großes Aufsehen, eher im Verborgenen, jedoch mit Freude unentgeltlich einbringen. Dies treffe auch auf den diesjährigen Preisträger zu, der sich erst neben seiner Arbeit am Gericht und später im Ruhestand für Mitmenschen einsetzt – und das auch schon vor der Corona-Zeit.
Begonnen hat seine Laufbahn als Jugendbetreuer im Tennisbereich. Auch nach dem Umzug von Mainz nach Lahnstein blieb er sportlich: Im Fitnessstudio wurde der Familienvater auf das Schicksal einer Frau aufmerksam, die regelmäßig von ihrem Mann verprügelt wurde. Kaltenbach unterstützte und begleitete die Frau, so dass sie sich aus ihrer Opferrolle befreien konnte. „Er schaute nicht weg, sondern hörte hin“, brachte Coopmeiners in ihrer Laudatio sein Wirken auf den Punkt. So wurde bekannt, dass dieser spezielle Sportler im Fitnessstudio Frauen mit Gewalterfahrungen zur Seite stehe. Im Laufe der Zeit unterstützte Kaltenbach dann „offiziell“ Kriminalitätsopfer beim Weißen Ring, begleitete 20 Jahre lang zahlreiche Fälle und lernte in diesem Zusammenhang die Arbeit des SkF kennen. „Er konnte unsere Mitarbeiterinnen beraten, Briefe aus dem Juristendeutsch übersetzen, in kritischen Fällen Strategiepläne mit uns spinnen, Schulungen begleiten und Vorträge halten“, blickte Coopmeiners auf den „großartigen und selbstlosen“ Einsatz zurück. „Die teils ausgezahlte Aufwandspauschale überwies Herr Kaltenbach umgehend wieder an unseren Verein zurück“, fügte sie lachend hinzu.
Interessiert und offen bleiben – auch mit über 70
Neben der Unterstützung insbesondere für Frauen aus Gewaltbeziehungen engagiert sich Kaltenbach nun mehr und mehr in der Hospizbewegung und begleitet Schwerstkranke sowie ihre Familien. Kraft schöpfe Kaltenbach, der in einem christlichen Haushalt aufgewachsen ist, aus Bibel- und Persönlichkeitsarbeit in Form von Bibliodrama, Gesprächskreisen und Tanz sowie Schweigeexerzitien. „Wenn ihr nicht voll seid, könnt ihr nicht geben“, sagte der Preisträger in Anlehnung an den Kirchenlehrer und Mystiker Bernhard von Clairvaux in einem Vorgespräch mit der SkF-Vorsitzenden. Daher achte und höre er auf sich selbst. „Mein Motto war und ist: interessiert zu sein, offen für neue Themen und Menschen zu bleiben“, begründete er seine Motivation, sich auch mit Mitte 70 noch ehrenamtlich einzubringen. So hat Kaltenbach, der mit seiner Frau im Wohnpark am Evangelischen Stift in der südlichen Vorstadt in Koblenz lebt, vor kurzem eine Ausbildung zum Trauerbegleiter begonnen, die für ihn eine sinnvolle Ergänzung zu seiner Arbeit im Hospiz sei.
Ehrenamt verbindet
Die Koblenzer Bürgermeisterin Ulrike Mohrs bedauerte, dass die Bereitschaft für soziales Engagement zurückgehe, denn gerade in der jetzigen Zeit „brauchen wir das Ehrenamt, wo die Gesellschaft auseinanderdriftet, denn Ehrenamt verbindet“, betonte sie in ihrem Grußwort – das zeige auch Kaltenbach, der in einer kurzen Rede schilderte, dass er insbesondere in der Hospizarbeit viel mehr von den Frauen, Männern und Familien zurückbekomme, als er gebe.
Dem Preisträger selbst gehörte dann auch das Schlusswort der Feierlichkeit: „Ich nehme den Preis sehr, sehr gerne an. Es sind Weggefährten hier, die das Gleiche wie ich auf ihre Weise gemacht haben, daher nehme ich den Preis stellvertretend für alle Engagierten entgegen.“
Weitere Informationen zu den Angeboten des SkF gibt es auf www.skf-koblenz.org und unter Tel.: 0261-304240.
Die Sozialpolitikerin Susanne Hermans lebte von 1919 bis 2013 in Koblenz. Nach ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete hat sie sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen eingesetzt und war 20 Jahre lang Vorsitzende des SkF-Koblenz. „Sie setzte sich ihr gesamtes Leben lang für sozial benachteiligte Menschen ein. Ihr Herzensanliegen war es, sich für soziale Notstände zu engagieren und auch politische Änderungen zu bewirken“, berichtete Petra Assenmacher, Vorstandsvorsitzende im SkF und Vorstandsvorsitzende der Susi-Hermans-Stiftung, im Rahmen der Auszeichnung. Nach ihrem Tod ist die gemeinnützige Susi-Hermans-Stiftung gegründet worden. In der Regel wird alle zwei Jahre der Susi-Hermans-Preis an Menschen verliehen, die sich in besonderer Weise ehrenamtlich für ihre Mitmenschen einsetzen – stellvertretend für unzählige Engagierte rund um Koblenz.
Pressetext: Bischöfliches Generalvikariat Trier – Redaktion Koblenz
Julia Fröder
Fotos: Helma Göbel